Grabinschriften und ihre Geschichten

Offenburger Tagesblatt vom 05/03/2015

Offenburger Tagesblatt am 5.3.2015

Einen besonders bewegenden Vortrag hat es in der Mitgliederversammlung des Fördervereins Historischer Waldbachfriedhof gegeben: »Spuren des Ersten und des Zweiten Weltkriegs auf dem Waldbachfriedhof« nannte Wolfgang Gall seinen Bericht über zum Teil erschütternde Schicksale, die sich aus Grabinschriften rekonstruieren lassen.

Offenburg. Die Vorsitzende des Fördervereins Historischer Waldbachfriedhof, Cornelia Kalt-Jopen, blickte in der Mitgliederversammlung am Dienstagabend auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Für neue Brunnenanlagen und Schilder, die Restaurierung eines Grabkreuzes aus der bekannten Offenburger Werkstatt Valentin sowie einer Glasmalerei vom Glasmaler Helmut Hacker, einem Schüler von Karl Vollmer, wurden rund 10 000 Euro aufgewendet. Heinrich Meyer visualisierte die Ergebnisse in Bildern. Derzeit bestehen 28 Grab-Patenschaften, im Arboretum werden abgängige Bäume ersetzt. Die vierte Lesung in der Kapelle im Juni war wieder ein voller Erfolg, genauso wie ein Filmabend im »KiK« an Allerheiligen. Die Bestattungen auf dem Waldbachfriedhof nehmen wieder zu – allerdings soll der Parkcharakter erhalten bleiben. 25 Leute waren dafür 2014 im Arbeitseinsatz.
Restaurierungen geplant
Für 2015 sind die Restaurierung der Grabkreuze der Familie Geck, weitere Beschilderungen und vor allem der Ersatz der Bestuhlung in der Kapelle vorgesehen. Die über 17 000 Euro, die die neuen Stühle kosten werden, wird zu einem großen Teil durch Spenden aufgebracht. Besonderer Dank und ein Extra-Applaus galt Cornelia Kalt-Jopens Ehemann Christoph Jopen, der anlässlich seiner Verabschiedung als Bürgermeister um Spenden statt Geschenken gebeten hatte. Über 6000 Euro waren zusammen gekommen.
Mit seinem Vortrag »Spuren des Ersten und des Zweiten Weltkriegs auf dem Waldbachfriedhof« entführte Museumsleiter Wolfgang Gall dann zu den mahnenden Zeugnissen beider Kriege, die sich in Offenburg vor allem auf dem Waldbachfriedhof finden, wo die »Ehrengräber« liegen. Eine interessante Feststellung war dabei neu für die meisten Zuhörer: Auch ausländische gefallene Soldaten und nach dem Krieg die Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge wurden auf dem Ehrenfriedhof bestattet. Vor allem im Ersten Weltkrieg machte man kaum einen Unterschied in Bezug auf die Nation der Soldaten – war doch jeder, auch der »Feind«, für sein »Vaterland« gefallen.
Als jedoch 1941 ein weiterer Ehrenfriedhof für die zu erwartenden Offenburger Opfer eingerichtet werden sollte, verhinderte dies ein »Führerbefehl« – die Bevölkerung sollte nicht daran erinnert werden, dass im Krieg vor allem unendliches Leid auf die Menschen wartet. Schreckliche Familienschicksale lassen sich hier ablesen: So fiel Matthias Männle 1917 im Ersten Weltkrieg in Brest-Litowsk. Seine sterblichen Überreste konnten aber erst 1941, also im Zweiten Weltkrieg, aus Weißrussland nach Offenburg geholt werden, wo sein Sohn Eugen den Vater erneut begrub.
Ehrung auch für Fremde
Über die Neu-Gestaltung der Massengräber des »Alliierten Ehrenfriedhofs« berichtete das Offenburger Tageblatt am 8. August 1964. Erstaunlich früh, stellte Gall fest, hatten die Stadt und der Sozialverband VdK die Ehrung auch für die ausländischen Opfer in die Hand genommen. Die Massengräber werden derzeit intensiv erforscht und stellen historisch ein Herausforderung dar: Das beginnt mit der oft nicht eindeutigen Übertragung kyrillischer Namen in lateinische Buchstaben, geht über zum Teil ganz fehlende Namen von Menschen, die mit ihren Häftlingsnummern begraben sind.
Man müsse bedenken, dass zum Teil »chaotische Zustände« herrschten, gab Gall zu bedenken. Aber die Verwaltung funktionierte in Resten: So sind Rechnungen für den Kauf von Särgen noch vorhanden.
HINWEIS: Am 28. April werden im Rahmen eines Vortrags zum KZ Natzweiler-Struthoff auch die neuesten Forschungsergebnisse aus Offenburg vorgestellt.