Von der Totenrede bis zur Gruselstory

Badische Zeitung vom 25/06/2012

Der Förderverein Historischer Waldbachfriedhof bat zum Literaturabend auf den Gottesacker.

Badische Zeitung 25.06.2012

OFFENBURG (BZ). Zum zweiten Mal hatte Cornelia Kalt-Jopen, Vorsitzende des  Fördervereins Historischer Waldbachfriedhof, zu einer Literaturlesung in die Friedhofskapelle auf dem vom Verein betreuten Gottesacker eingeladen. Zusammen mit der Vorsitzenden des Freundeskreises der  Stadtbibliothek Offenburg, Jutta Collmann, als Mitinitiatorin der  Veranstaltung, begrüßte sie über 50 Gäste, die ein abwechslungsreiches  Literaturprogramm zum Thema Tod und Vergänglichkeit, ausgewählt von vier Vorlesern, erwartete.

Cornelia Kalt-Jopen trug als Einstimmung das Gedicht „Senna Hoy“ von Else Lasker-Schüler vor, das die  Schriftstellerin dem in einem Moskauer Gefängnis 1914 verstorbenen  deutschen Anarchisten Johannes (Senna Hoy) Holtzmann gewidmet hat.

Mit einem Nachruf besonderer Prägung eröffnete Christoph Jopen die  Lesung. Er rezitierte die beeindruckende Trauerrede Richard von  Weizsäckers auf Willy Brandt von 1992. Christoph Jopen nannte diese Rede als Beispiel für die Ehrung eines Verstorbenen, die zugleich dem zur  Ehre gereicht, der ihn würdigt. So stellte von Weizsäcker in seiner Rede neben den politischen Leistungen den Menschen Willy Brandt in den  Mittelpunkt, der „ein Versöhner der Deutschen mit sich selbst gewesen  sei.“

Inge Herzog-Friedmann hatte,  angeregt durch den diesjährigen Offenburger Übersetzerpreis an Christina Viragh für die Übertragung des Werks „Parallelgeschichten“ von Peter  Nádas ins Deutsche den autobiographischen Bericht dieses ungarischen  Schriftstellers, „Der eigene Tod“, ausgewählt. Nádas schildert darin das Erlebnis einer Nahtod-Erfahrung nach einem Herzinfarkt auf offener  Straße am 28. April 1993 in Budapest. Konzentriert und einfühlsam  schilderte sie die Wahrnehmungen eines Grenzgängers, das „kosmische  Urgefühl“, formuliert in bewegenden Metaphern, aber auch die lakonische  Sprache, die er für den nahe erlebten, aber dann ausgebliebenen Tod  fand.

Nach der Pause dominierte die Belletristik. Birgit Seitz  las den Prolog aus dem Debüt-Roman „Das Versprechen der Ehe“ der  dänischen Schriftstellerin Jette Kaarsbol. Dieser kritisch historische  Gesellschaftsroman beginnt 1933 mit dem Auffinden der toten  Protagonistin Frederikke Lewenbeck und ihrer einsamen Beerdigung. Die  beeindruckende Lesung weckte bei den Zuhörern besonderes Interesse an  der weiteren Lektüre.

Knisternde Spannung beherrschte die  Gruselgeschichte, die Jürgen Collmann gestenreich vortrug. „Der  grinsende Ghul“ des amerikanischen Schriftstellers Robert Bloch (1917  bis 1994) – bekannt durch seinen Roman „Psycho“ – hat zwei Schauplätze:  eine psychiatrische Anstalt und einen geheimnisvollen alten Friedhof,  auf denen Dämonen (Ghule) ihr Unwesen treiben. Jürgen Collmann ließ die  Zuhörer an den grauenvollen Erlebnissen des Ich-Erzählers teilhaben bis  zur schrecklichen Auflösung der Geschichte.

Auf dem  Waldbachfriedhof gebe es keine Ghule, beruhigte Cornelia Kalt-Jopen die  Zuhörer für den bevorstehenden Heimweg und schloss mit einem tröstlichen Ausschnitt aus der Predigt des englischen Gelehrten Henry Scott-Holland , anlässlich des Todes des englischen Königs Edward VII . „Death is  nothing at all“ Der Tod bedeutet nichts. Alles ist gut“ , lautet die  Botschaft voller Zuversicht.

Die erfolgreiche Veranstaltung soll auch im nächsten Jahr fortgesetzt werden.